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Grundsätze zum Sponsoring von Patientenorganisationen

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Patientinnen- und Patienten -Interessen SAPI

Unter dem Stichwort ‚direct to the consumer marketing‘ finanzieren Pharmahersteller und andere Industrieunternehmen immer häufiger Projekte von Patienten- und Selbsthilfeorgansisationen. Diese Form von Sponsoring kann die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von Patientinnen- und Patientenorganisationen in Frage stellen.

Um Missbräuche zu verhindern, hat die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Patientinnen- und Patienteninteressen jetzt eine Charta mit Grundsätzen über das Sponsoring formuliert. Diese lehnen eine finanzielle Unterstützung durch kommerzielle Unternehmen nicht rundweg ab, fordern aber Transparenz und Verzicht auf jede Form von Etikettenschwindel.

Die Grundsätze richten sich in erster Linie an die Patientinnen- und Selbsthilfeorganisationen selber und sollen der kritischen Selbstbeurteilung dienen. Sie können aber auch den Medien und einer weitere Öffentlichkeit als Massstab zur Beurteilung von Organisationen dienen, die sich für Patientinnen- und Patienteninteressen einsetzen. Schliesslich sind sie auch als Appell an Unternehmen zu verstehen, ihre Praktiken beim Sponsoring kritisch zu überdenken.

Die SAPI ist eine Dachorganisation von 17 bekannten Patientinnen- und Patientenorganisationen der Schweiz. Ihr Zweck ist der Informations- und Gedankenaustausch sowie die Vertretung gemeinsamer Interessen gegenüber Behörden, Verbänden und Öffentlichkeit.

Präambel

Anlass für die nachfolgende Formulierung von Grundsätzen über das Sponsoring ist die Tatsache, dass immer mehr Firmen (vor allem aus dem Pharmabereich) Wege suchen, Patientinnen und Patienten nicht wie früher indirekt über die Ärzteschaft, sondern ganz direkt für ihre Produkte zu gewinnen. Als Vehikel dienen ihnen dabei Patientinnen- und Patientenorganisationen, welche sie mit namhaften Beiträgen unterstützen oder gar selber gründen.

Dass gemeinnützige Organisationen einzelne Projekte über Sponsoring finanzieren (müssen), ist eine Tatsache und nicht generell zu beanstanden. Problematisch wird die Unterstützung durch kommerzielle Firmen aber dann,

  • wenn die Unabhängigkeit der Patientinnen- und Selbsthilfeorganisationen nicht mehr sichergestellt ist und sich diese sowohl bei ihren internen Beratungs- und Informationsangeboten wie auch beim Auftritt in der Öffentlichkeit primär den Interessen des Sponsors und nicht der Betroffenen verpflichtet fühlen
  • wenn Firmen selber Pseudo-Patientinnenorganisationen gründen, versteckte Ziele verfolgen und diese Organisationen zu Unrecht den Anschein von Repräsentativität erwecken.

Um solche Missbräuche zu verhindern, hat die SAPI als Dachorganisa-tion Grundsätze über das Sponsoring formuliert. Diese Charta richtet sich in erster Linie an die Patientinnen- und Selbsthilfeorganisationen selber und soll als Kodex der kritischen Selbstbeurteilung dienen. Sie richtet sich aber auch an die Medien und eine weitere Öffentlichkeit im Sinne eines Massstabs zur Beurteilung jener Organisationen, die als Patientinnen- und Patientenvertreter in der Öffentlichkeit auftreten. Schliesslich wollen wir auch die Firmen selber erreichen in der Hoffnung, dass diese gewisse Sponsoring-Praktiken reflektieren und ändern.

Anmerkung

Wir benützen den Begriff „Sponsoring“ der Einfachheit halber für jede Form einer namhaften finanziellen Unterstützung, welche nicht völlig uneigennützig erfolgt.


A Unabhängigkeit

A1 Finanzielle Unabhängigkeit
Die Organisation wahrt ihre finanzielle Unabhängigkeit: Sie sorgt dafür, dass bei einem Rückzug des Sponsors die Vereinsaktivitäten ohne wesentliche Einschränkung fortgesetzt werden können.

A2 Unabhängigkeit der Leitungsgremien
Die Organisation stellt sicher, dass Sponsoren in den Organen der Organisation (insbesondere im Vorstand) nicht oder allenfalls vereinzelt (max. 20% der Sitze) vertreten sind, während die Patien-tinnen- und Patienten eine massgebende Vertretung erhalten.

A3 Unabhängigkeit in der Beratungs- und Informationstätigkeit
Die Organisation sorgt dafür, dass in der Beratung und Information von Patientinnen- und Patienten auf die Vielfalt bestehender Behandlungsmöglichkeiten hingewiesen wird. Sie hält sich hinsichtlich Ratschlägen für bestimmte Produkte eines Sponsors (wie z.B. medizinische Behandlung, Medikamente, Kuren) zurück. Sie sorgt da-für, dass keine einseitige Beeinflussung durch Produktewerbung in Publikationen oder an Tagungen erfolgt.

A4 Unabhängigkeit in der übrigen Tätigkeit
Die Organisation legt ihre Tätigkeit aufgrund einer umfassenden Würdigung der Interessen der Patientinnen- und Patienten fest. Sie bleibt insbesondere bei politischen Aktivitäten frei von Beeinflussungen seitens von Sponsoren. Sie sorgt dafür, dass sich die Tätigkeit nicht bloss auf Aktivitäten konzentriert, welche sich für ein Sponsoring eignen.

B Transparenz / Ehrlichkeit

B1 Finanzielle Transparenz
Aus der Jahresrechnung wird klar ersichtlich, wie sich die Organisation finanziert und woher die Mittel kommen.

B2 Transparenz betreffend Organen
Von den Mitgliedern sämtlicher Gremien der Organisation werden sowohl die Namen, wie auch allfällige Interessenbindungen oder Vertretungsverhältnisse publiziert.

B3 Transparenz betreffend die Ziele der Organisation
Die Organisation verfolgt keine versteckten Ziele, sondern legt diese offen dar, damit die Patientinnen- und Patienten von Anfang an wissen, worauf sie sich einlassen. Sie müssen insbesondere erkennen, welche Pflichten sie mit einer Mitgliedschaft übernehmen.

B4 Wahrheitsgetreue Bezeichnung
Die Organisation führt einen sachgerechten Namen, welcher ihrem Wesen und Charakter entspricht (kein Etikettenschwindel, keine Tarn- oder Pseudoorganisation); insbesondere verwendet sie Bezeichnungen wie „Selbsthilfe“, „Selbsthilfegruppe“ oder „Patientenverband“ nur, wenn sie von den Betroffenen selber gegründet und massgeblich geführt wird.

B5 Repräsentativität
Die Organisation täuscht keine Repräsentativität vor und masst sich keine solche an, wenn sie nicht gegeben ist (z.B. „Wir ver- treten alle XY-Kranken!“).


C Datenschutz

Ohne ausdrückliche Einwilligung der Mitglieder oder Patientinnen werden keine Adressen an Sponsoren herausgegeben (vergleiche Merkblatt des Eidg. Datenschutzbeauftragten betreffend Adressen von Vereinsmitgliedern).

D Festlegung von Rechten und Pflichten

D1 Organisationsinterne Grundsätze
Die Organisation erarbeitet vereinsinterne Grundsätze über Sponsoring und gewährt allen Interessierten Einblick in das entsprechende Papier.

D2 Sponsorenvertrag
Die Organisation schliesst mit jedem Sponsor eine schriftliche Vereinbarung ab, welche durch das zuständige Gremium zu genehmigen ist. In dieser Vereinbarung werden Rechte und Pflichten der Parteien festgehalten; insbesondere wird geklärt, wo, wann, wie oft und wie prominent der Sponsor mit Signet und Werbung erscheinen darf/muss.

8. März 2002 Zürich

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